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20.11.2011 von eb
, - Aktuelle Bilder
Der Horror des 08fuffzehn-Hedonisten am Sonntagmorgen.
Oder auch,
die Wege der Totalitären auf der Suche nach sich selber.
(C.) DIN-A4 Tinte Klick macht dick.
Sonntagmorgens um halb neun, sollte die Welt eigentlich noch in Ordnung
sein. Noch angenehm ruhig und entspannt, hat man keinerlei sonstige
wichtige Gedanken, als die Zubereitung des Frühstücks. So eine Art spiritueller
Moment des Genusses von Bedeutungslosigkeit. Ein 4Komma23 Minuten Ei,
Kaffee, Croissants, leicht goldbraun natürlich, ein wenig Ruhe, - und
überhaupt, - mal wieder ein Tag für einen selber.
Bis die Türglocke läutet.
In Anbetracht der Situation, dass in solchen Momenten kein
anständiger Mensch an anderer Leute Haustüre klingelt, wenn er nicht
ernsthafte Sorgen oder Probleme hat, beweist man dem inneren Schweinehund
seine Willensstärke, - und öffnet. Und man weiß exakt was auf einen
zu kommt, wenn diese krampfhaft gütig, sanft selbstbewusst,
nichts sagenden Gesichter einem dieses; "Guten Morgen" entgegen säuseln.
Welches irgendwie immer so klingt wie; "Klar haben wir dir den Tag
versaut. Aber lass uns einfach so tun, als wäre das in Ordnung".
Und sinnigerweise, folgt auf den finsteren Blick aus dem Inneren
heraus, auch immer dieses; "Ich hoffe wir stören nicht." ...
Das ist der Moment, wo eigentlich jeder normale Mensch einfach
die Türe wieder sanft schließen- und sich genauso nichtssagend
wieder ans Frühstück begeben sollte. So, als wäre überhaupt
nichts passiert. Aber da gibt es irgendeinen Vogel im Hirn,
der schwätzt immer unsinniges Zeug von Höflichkeiten und so.
Sicher, - die wissen, dass sie stören, - stören trotzdem, - wissen
dass du das weißt, - und du weißt, - dass sie das wissen. Trotzdem bist
du derjenige, - der dann mit Höflichkeit reagiert. Und auch
das wissen sie. Wundersame Welt der Verhaltensregeln unter
zivilisierten Menschen, - wovon eine Seite was verkaufen will.
Und Sonntags, ist das besonders schlimm. Da kommen nämlich
immer die, die einem gleich die ganze Welt, samt Himmelreich
und Jenseits verhökern wollen.
Aber trotzdem. Diesmal ist irgendetwas anders.
Die starre steife Haltung, welche aus
unerfindlichen Gründen immer die Aura von Seriösität verströmen
soll, - ist die gleiche wie sonst auch. Die Augen sind ein wenig seltsam.
Aber wenn unsereiner die Nacht durch zaubert, sind seine
Augen am nächsten Morgen auch seltsam. Aber was dem
geübten Kennerblick direkt auffällt, - die beiden
Gestalten im Türrahmen, - sind praktisch leer. Nichts dabei.
Überhaupt nichts. Keine sorgsam vor der Brust verschränkten
Hochglanzbroschüren, keine geweihten Zeitungen, Prospekte
oder eines dieser Bilderbücher, welches der geübte Missionar
lässig unter dem Arm oder in der Lederaktentasche bei
sich trägt. Schlimmer noch. Einen Missionar ohne Aktentasche,
kann man sich gerade noch vorstellen.
Doch eine dieser kirchlich engagierten Damen aus der
4711-Kölnisch-Wasser-Tweed-Kostüm-Fraktion
gehobenerem Alters, - ohne Handtasche, - ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Solcherart gewohnten Riten ihren Wiedererkennungswert
zu nehmen, weckt natürlich Interesse. Und wer zu lange
zögert, - hat schon verloren. So vergehen auch keine
drei Sekunden, bis die üblicherweise vorgeschobene
weibliche Konflikt-Harmonisiererin anfängt zu fragen,
ob man sich schon mal Gedanken darüber gemacht hat,
warum so vielen Menschen ein inneres Gleichgewicht
fehlt. Ich sehe tatsächlich im Moment mein inneres
Gleichgewicht am Frühstückstisch verloren, und begehe
den Fehler, fragend die Augenbrauen zu heben. Was die
zwei Figuren vor mir, direkt veranlasst, einen dieser
Wechselvorträge zu starten. Dies ist so ziemlich
die perfideste Form einer Verkaufsveranstaltung.
Man hat zwei Vortragende, die sich ständig gegenseitig
die Bälle zu schmeißen. Was bewirkt, dass bei einer
Unterhaltung unter drei Leuten, lediglich zwei davon
ständig reden. Während der dritte immer den Kopf
in Richtung des jeweiligen Sprechers bewegen muss,
wenn er nicht allzu unhöflich sein will.
Auf diese Weise ausnahmsweise mal ungewollt
kopfschüttelnd, ergebe ich mich also in mein
vorläufiges Schicksal.
"Sehen sie", schließt sich der männliche
Part der Vorstellung der vorhergehenden
Frage an; "Auch wir haben einmal unser
Leben in immer währender Unruhe und Unzufriedenheit
gelebt."
Sie: "Sind dem Erfolg und dem Verlangen hinter her gejagt,
ohne zu merken, dass dies niemals ein inneres Gleichgewicht
zulassen würde."
Er: "Haben der Suche nach Genuss und Freude gefrönt,
die uns den Mangel davon, dann doppelt spüren ließen."
Sie: "Bis uns klar wurde, dass wir aufgrund
unserer Hoffnungen und Wünsche, - selber daran schuld waren."
Er: "Aufgrund unserer Genusssucht und dem Verlangen danach."
Sie: "Was uns versuchen ließ, dem Übel auf den Grund zu gehen.
Und es dann auch von Grund auf, - zu entfernen."
Er: "Dem Genuss zu entsagen. Der Freude den Rücken zu kehren.
Dem Erfolg seine Eitelkeit zu nehmen."
Sie: "Den Emotionen überhaupt, keine Möglichkeit mehr
zu bieten, dem inneren Gleichgewicht störend entgegen zu wirken."
Er: "Selbstverständlich erbringt die komplette Entfernung
eines vorherigen Lebensinhaltes, - auch eine gewisse Leere mit sich."
Sie: "Die man mit sinnvolleren Aufgaben als der Suche nach Genuss und
Freude, - wieder füllen kann."
Er: "Weshalb wir es als unsere Aufgabe ansehen, unsere Mitmenschen
von unseren Erkenntnissen zu informieren.
Sie: "Um ihnen die gleiche Möglichkeit zu bieten,
- welche wir genutzt haben."
Er: "Um sie teilhaben zu lassen, - am immer währenden
Gleichmut und vollendeter Harmonie."
Sie: "An der ultimativen Ausgeglichenheit und
einem störungsfreiem Gleichklang."
Er: "Um sie mitwirken zu lassen,
- am perfekten Weg, - zum aggressionsfreien Leben."
Sie: "Für die beste und ungefährlichste
Zukunft dieser Welt."
Offenkundig müssen beide mal Luft holen.
Was mir ermöglicht, auch mal eine Frage
stellen zu dürfen; ... "Sagt mal, - ihr genießt das,
- oder?" ... Irritiert schauen mich beide
an. "Ha, - erwischt", denke ich mir.
Doch die zwei sind wirklich aalglatte
Könner. "Nein, nein", fängt er an, und sie führt
weiter; "Wir empfinden keinerlei Erfolg
oder Freude daran Menschen zu überzeugen."
Er: "Ob dies einer oder hundert sind, welche wir
vielleicht dazu bewegen können dem Genuss
zu entsagen, ist für uns ohne jede Bedeutung."
Sie: "Wir beziehen die Motivation und Kraft dazu,
aus der Aufgabe selber, - nicht aus einer Freude
daran. Dies ist sicher nicht leicht nachzuvollziehen.
Doch da die Aufgabe als solche, von uns als unabdingbar
und kritiklos anerkannt wird, - ist sie für uns Leitfaden
und Lebensinhalt gleichzeitig."
Er: "Die Aufgabe gibt vor, was wir zu tun haben.
Und verleiht dadurch einmal unserer Tätigkeit,
- als auch der Aufgabe selber, den ausreichenden Sinn
von Existenzberechtigung. Was uns ermöglicht,
sie emotions- genuss- und empfindungsfrei auszuführen."
Sie: "Es ist die absoluteste Form eines ungestörten
inneren Gleichgewichtes. Erst wenn jegliche Freude,
jeglicher Genuss, jeglicher Hass, ja wenn
möglich-, jedes Gefühl seiner Bedeutung entsagt,
- kann ein seelisches Gleichgewicht, seine reinste
Form erlangen."
Er: "Womit wir alles gesagt haben, was
diesbezüglich an Informationen notwendig ist.
Und wir uns deshalb dem nächsten möglichen
Gesprächspartner zuwenden können."
Sie: "Wir wünschen ihnen, - auch für die Zukunft,
emotionsfreie und gleichförmige Tage."
Womit beide, sich auch wunderbar harmonisch
ab-, und einem neuen Ziel, - zu wenden.
Ich sehe wohl noch eine ganze
Weile, ziemlich Sinn-entleert und stumpfsinnig,
in das Nichts des leeren Türrahmens hinein.
Ein Gefühl, - welches sich
auch am Frühstückstisch nicht bessert.
Was ist das für eine Welt, - in welcher
nicht mal mehr die Missionare Spaß an
ihrer Arbeit haben? Und mir deshalb nicht
mal die Freude gönnen, mit ihnen streiten
zu dürfen?
Ein Frühstück ist auf viele Arten genießbar.
Man kann sich ganz darauf konzentrieren, -
oder mit der Tasse in der Hand, - beim Schlürfen
lesen, singen, Radio hören oder schwer rum grübeln.
Aber gar nichts mehr davon empfinden zu können,
ist doch ausgesprochen merkwürdig. Wenn dies
das innere Gleichgewicht sein soll, welches
die beiden mir vermitteln wollten, - dann kann
es mich kreuzweise. Ein Gleichgewicht ohne
Gewicht, kann man auch gleich in der Luft
aufhängen. Bin ich jetzt ein Hedonist?
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